Horst A. Schmid

Wäre Horst Schmid eine Romanfigur – Kritiker würden dem Autor vorwerfen, die Fantasie sei mit ihm durchgegangen: Wie soll ein Außenstehender auch begreifen, was Schmid in Kanada alles erlebt und erreicht hat? Selbst seine Mutter konnte manchmal kaum glauben, was Schmid ihr am Telefon über sein Leben in Kanada erzählt. „Du spinnst ja“, hat sie Schmid einmal entgegnet. Erst als die Mutter einige Tage später das Unmögliche in der Zeitung las, glaubte sie ihm: Horst Schmid war in der kanadischen Provinz Alberta zum Kulturminister ernannt worden. Damit war der gebürtige Münchner der erste Einwanderer seit Ende des zweiten Weltkrieges, der es in das Kabinett einer kanadischen Regierung geschafft hatte. 

Schmid war ja vorher selbst skeptisch. Wie sollte er als Deutscher die Stimmen der Kanadier gewinnen? Also entschloss sich Schmid, die Bürger zu befragen. „Wenn mir einhundert Menschen sagen, ich solle dahin zurückkehren, wo ich hergekommen bin, ziehe ich meine Kandidatur zurück“, schwor sich Schmid – und lief von Haus zu Haus, um sich vorzustellen. An 5 746 Türen klopfte der Wahlkämpfer. Und nicht ein einziger Bürger schickte den Bayer weg. 

Das war ein riesiger Erfolg, doch längst nicht der einzige in Schmids Leben. Nachdem er in die Politik eingetreten war, stieg er in den folgenden Jahren zum Innenminister, Minister für wirtschaftliche Entwicklung und internationalen Handel, Minister für Tourismus auf. In jedem dieser Ämter war er erfolgreich: Er baute Theater, stellte internationale Hilfsprogramme auf die Beine, verankerte im Gesetz den Denkmalschutz, führte einen Feiertag ein und war mit verantwortlich, dass die Olympischen Spiele 1988 in Calgary stattfanden. Er brachte ausländische Investoren nach Alberta und kurbelte den Tourismus an. Schmid war derartig aktiv und innovativ, dass er mit Ehrungen und Auszeichnungen überhäuft wurde. Er erhielt – um nur einige zu nennen – den Bayerischen Verdienstorden, das große Bundesverdienstkreuz, wurde von der Universität Alberta zum Ehrendoktor ernannt, bekam einen Platz in The AlbertansIn dieser Publikation werden 100 Menschen, die die Provinz Alberta verändert haben gewürdigt. 

Als Schmid 1952 mit 19 Jahren und ohne Englischkenntnisse nach Kanada auswanderte, war es nicht sein Ziel, in die Politik zu gehen. In Kanada angekommen verdingte er sich als Bergarbeiter in Yelloknife, obwohl sein Wunsch es war, in die Wirtschaft zu gehen. Schmids Passion war die Musik. Und er tat nichts weiter, als diese beiden Leidenschaften zu verfolgen: Nachdem er passabel Englisch sprechen konnte, moderierte der Wahlkanadier eine Radiosendung, spielte Theater, belegte Kurse in Betriebswirtschaft und Finanzwesen, verkaufte Versicherungen, importierte tragbare Radio-Geräte aus Deutschland, wurde schließlich Chef und Anteilseigner einer Exportfirma und eröffnete eine Gastwirtschaft des Münchner Hofbräuhaus. 

Es gibt Fotos, die zeigen Schmid schuhplattelnd in Lederhosen oder den Kopfschmuck der „Fliegenden Adler“ tragend. Der Münchner wurde wegen seines unermüdlichen Einsatzes für den Stamm der Cree-Ureinwohner zu ihrem Ehren Häuptling erkoren. 

Schmid fühlt sich in vielen Kulturen zu Hause. Auf die Frage, wo seine Heimat sei, antwortet er in schönstem Bayerisch-Englisch: „Dahoam is dahoam, and home is here.“ Schmid liebt Kanada wie er auch Bayern liebt. Und er hat es verstanden, diese beiden Welten auf wunderbare Weise zusammenzuführen. 

Als er sich gemeinsam mit seinem Freund John Whalley (war als kanadischer Vertreter an den Friedensverhandlungen zwischen Nord und Südkorea beteiligt) daran machte, ein Wappen für Alberta zu entwerfen, setzte Schmid durch, dass neben dem kanadischen Pronghorn (eine Art Antilope) auch der bayerische Löwe verewigt wurde. 

Der 74-Jährige könnte seinen wohlverdienten Ruhestand mit einer Reise in den Rocky Mountains genießen, doch Schmid winkt energisch ab, er hat noch alle Hände voll zu tun. Er leitet seine 1995 gegründete Firma Flying Eagle Resources und ist außerdem im Vorstand der Calstar Oil & Gas sowie der Deep Well Oil & Gas tätig.